„Wahl-Verwandtschaften“ nennt sich ein Wohnprojekt, das in Nürnberg seine Vorstellung vom gemeinschaftlichen Leben umsetzen will. Der Name bezeichnet deutlich einen Trend der sich bundesweit auch immer stärker in der Fläche ausbreitet: Das Leben in einer selbst gewählten Nachbarschaft, in Häusern die nach den Vorstellungen der Bewohner geplant sind und von ihnen eigenständig verwaltet werden. Was noch vor einigen Jahren die Großfamilie unter dem Dach der gemeinsamen Hofstelle oder in dörflichen Nachbarschaften leistete, übernimmt heute vermehrt eine Form von Gemeinschaft die in generationenübergreifenden Wohnprojekten für einander da ist.
Die Genossenschaft als bundesweiter Trend
Die älter werdende Gesellschaft, die veränderten Familienstrukturen und die sich immer wieder neu bildenden Sozialstrukturen haben den Wohnprojekten in den letzten Jahren neuen Auftrieb gegeben. Was zunächst in Großstädten begann, findet sich heute auch in kleineren Kommunen und im ländlichen Raum. Wohnprojekte, insbesondere diejenigen, die genossenschaftlich organisiert sind, verfolgen neben ihre sozialen, bauökologischen und energetischen Zielen in der Regel die Verbesserung der Lebensumstände im unmittelbaren Wohnumfeld: Da werden Betreuungsplätze für Kinder, alte oder behinderte Menschen eingerichtet, Quartiers- oder Dorfläden betrieben und Cafés oder Begegnungsstätten geschaffen und unterhalten. Aus Wohnen wird Leben, denn es entstehen vielfältige Aktivitäten und Beziehungen, die immer über das eigene Wohnprojekt hinaus reichen. Kindergeburtstage werden im Gemeinschaftsraum des Wohnprojekts gefeiert, Yoga- oder Gymnastikgruppen bilden sich, gemeinsame Karten- oder Fernsehabende werden organisiert, Übungsräume für Musik- oder Theatergruppen entstehen, kurz: die Menschen finden wieder zueinander! Denn gemeinsam lässt sich vieles leichter und der Alltag um einiges vielfältiger gestalten.
Ursprünge von Baugenossenschaften
Die Genossenschaftsidee ist ursprünglich aus den Motiven der Selbsthilfe heraus entstanden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie maßgeblich durch Hermann Schulze-Delitzsch weiterentwickelt, der damit die Gründung von Genossenschaftsbanken vorbereitete. In den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts kam das Genossenschaftswesen in der Wohnraumversorgung zu einer weiteren Blüte und erneuerte sich in den 80er-Jahren durch die sogenannten „Jungen Genossenschaften“.
Baugenossenschaft - wie funktioniert das?
Wer in einer solchen Genossenschaft wohnen möchte wird zunächst Mitglied und zeichnet Geschäftsanteile am Unternehmen. Das Besondere ist, die Bewohner werden nicht Eigentümer der Wohnungen, sondern haben ein lebenslanges Nutzungsrecht. Und sie bestimmen über die Entwicklung ihrer Genossenschaft mit. Denn jedes Mitglied hat unabhängig der Höhe seiner Geschäftsanteile eine Stimme in der Mitgliederversammlung, die u.a. den Vorstand wählt und über die Verwendung der Genossenschaftsmittel abstimmt. Apropos Mittel: Da Genossenschaften nicht der Gewinnmaximierung sondern der Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet sind, bleiben die Mieten konstant und an den tatsächlichen Kosten orientiert. Und die sogenannte zweite Miete ist durch die Selbstverwaltung und die möglichen hohen Energiestandards meist weit unter dem üblichen Marktniveau.
Weitere Informationen und Beratung
- www.fgw-ev.de (Forum Gemeinschaftliches Wohnen)
- www.kompetenznetzwerk-wohnen.de
- www.nabau-eg.de (Genossenschaft für nachhaltiges Bauen und nachbarschaftliches Wohnen in der Region)
Text und Bilder von Michael Kroll, NaBau eG Regensburg